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Orientierung im Jahre 2017
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Kommen wir am besten gleich zur Sache: Geht es Ihnen vielleicht genauso wie mir?
Ich nehme ein zunehmendes Donnergrollen unter der Oberfläche einer immer noch
leidlich funktionierenden Gesellschaftsordnung meines unmittelbaren Umfelds wahr,
ähnlich einem kurz bevorstehenden heftigen Vulkanausbruch. Die Luft wabert und
vibriert in trügerischer Ruhe. Ich habe und hatte nie Angst, denn ich bin ein von Grund
auf optimistischer Mensch, einer, der am Ende des Weltkriegs II neun Jahre alt war,
der sich auf Knall und Fall am 17. Juni 1953 auf dem Potsdamer Platz in Berlin mit 18
Jahren entschied, der DDR für immer den Rücken zu kehren und sein künftiges Leben
im „kapitalistischen“ Westen Deutschlands aufzubauen und der heute mit 82 Jahren
mit seiner Frau wieder in Berlin lebt.
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Natürlich weiß jeder, dass es in früheren Zeiten auch große Krisen gab, regelrechte
Zusammenbrüche von sicher geglaubten Ordnungen und Lebensweisen, denken wir
nur von jetzt grade nach weit hinten zurück in die Zeit gehend an den
Zusammenbruch der kommunistischen Staatenwelt, der Kolonialreiche, an den
Zweiten und Ersten Weltkrieg, an das Scheitern des napolionischen Versuchs, Europa
unter seiner Napoleons I. Herrschaft zu einen, an das unsägliche Leid, dass die
Auseinandersetzung um die Spaltung der katholischen und reformierten Christenwelt
in Form des 30-jährigen Krieges über viele Teile Europas brachte, an den
Zusammenbruch des römischen Weltreichs unter dem Einfluss der Völkerwanderung
in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung.
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Und davor lagen die Zusammenbrüche der ersten staatlich geordneten Kulturen der
heranwachsenden Menschheit, wie das jahrtausendealte Ägypten, das minoische Reich
von Kreta, die Zwei-Stromland-Kultur der Sumerer zwischen Euphrat und Tigris, die
altindische Gesellschaft. Auch China und Japan waren im Laufe ihrer Geschichte von
solchen Ereignissen betroffen, nicht zu vergessen die frühen Kulturen auf
südamerikanischem Boden.
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Andererseits stehen diesen großen Krisen die Entstehungs-, Aufstiegs- und
Erfolgsgeschichten solcher historischen Epochen gegenüber: Die eben beklagten
Untergänge der ganz frühen Kulturen sind nämlich die ersten seit dem Auftreten des
Homo sapiens auf unserem Planeten gewesen, bei denen man überhaupt von „Kultur“
sprechen kann. Davor gab es nur archaische Zusammenschlüsse von Menschen zum
Zwecke der Überlebenssicherung, Gemeinschaften von Jägern und Sammlern, die wir
gewohnt sind, der alten und jüngeren Steinzeit, der Bronze- und später der Eisenzeit
zuzurechnen. Die Zeit der Bildung der ersten Hochkulturen im vorchristlichen
Jahrzehntausend war eines der bisher epochalsten Ereignisse in der Geschichte der
Menschheit.
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Alles, was danach kam, waren Kulturentwicklungen, die sich aus den
Zusammenbrüchen dieser alten, frühesten und historisch ersten staatlich organisierten
Gesellschaftsordnungen ergaben. Man kann mit Fug und Recht hier von einem sozio-
gesellschaftlichen Evolutionsprozess sprechen, der nicht nur das Leben auf dieser Erde
von Anbeginn an entwickelte, sondern bis heute fort wirkt und - das ist wohl die
wichtigste Erkenntnis aus dem bisher Gesagten sich auch auf unseren eigenen Gang
durch die (Welt)-Geschichte - -erstreckt.
Im ZEITmagazin aus der Internet-Plattform „Zeit-online ist hierzu in einem Artikel über den englischen
Geschichtsphilosophen Arnold J. Toynbee und seinem Werk „Der Gang der Weltgeschichte“ zu lesen:
Diese zyklische Geschichtsphilosophie liegt nicht zuletzt auch dem zwölfbändigen Monumentalwerk von
Toynbee „A Study of History“ zugrunde, von dem die ersten drei Bände schon 1934 erschienen sind, während
die letzten erst 1961 vorgelegt wurden. Unter dem Titel „Der Gang der Weltgeschichte“ liegt jetzt auch auf
deutsch eine zweibändige Kurzfassung vor. Toynbee behandelt etwa zwei Dutzend (Hoch-)Kulturen oder
Zivilisationen, die seit etwa 4000 v. Chr. entstanden sind. Unter der Führung ihrer Eliten gelang es einigen
primitiven Gemeinschaften, auf klimatische oder sonstige „Herausforderungen“ wie die Austrocknung der
Sahara mit der Entfaltung großräumiger komplexer Gesellschaften etwa in den Flußtälern des Nils, des
Euphrats und Tigris, des Indus und Hwang Hos zu „antworten“. Solche Hochkulturen mögen dann weiter
wachsen, aber auch steril werden oder gar verfallen und untergehen. Typisch für ihr Endstadium ist dabei
die Bildung von „Universalstaaten“ und „Universalreligionen“ und „-kirchen“. Im Gegensatz zu Spengler
betont Toynbee in seinen späteren Bänden stärker die Verbindungen zwischen diesen Hochkulturen und die
Ableitung der späteren aus den früheren.
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Solche Erkenntnisse sollten uns bei unserer selbst gestellten Aufgabe helfen,
Orientierung für die Situation unserer Gesellschaften in 2017 zu gewinnen. Wenn wir
die aus der geschichtlichen Rückschau gewonnen Einsichten dazu benutzen, unsere
heutige Situation und deren Probleme nicht nur in unserem Lande, nicht nur in Europa,
sondern weltweit zu beschreiben und zu analysieren, sollten wir auch die Möglichkeit
haben, uns Gedanken über mögliche Entwicklungen in der Zukunft zu machen und
vielleicht auch dazu verwertbare Hinweise zu gewinnen.
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Was die sozio-gesellschaftliche Organisation unsrer heutigen Zeit betrifft, so leben wir
weltweit in der Epoche der Nationalstaaten. Die Epoche ist noch sehr jung. Dieses
Konzept der Organisation von Gemeinschaft entstand erst1648 während der
mehrjährigen Verhandlungen zur Beendigung des 30jährigen Krieges, die als
Westfälischer Frieden in die europäische Geschichte einging. Davor hatten wir es mit
„Reichen“ zu tun, die vorwiegend dynastisch organisiert waren nach dem Prinzip von
Herrschenden und Beherrschten, das seine Legimitation im Gottes-Gnadentum fand.
Erst als durch Machtmissbrauch und dadurch verursachte Überschuldung und
schlimme Notlagen bei den Beherrschten diese Ordnung zerbrach, setzte sich infolge
der Französischen Revolution und die anschließenden napoleonischen Reformen der
nationalstaatliche Gedanke mehr und mehr durch.
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Gemälde von Gerard Terborch: Beschwörung des La liberté guidant le peuple die
Friedens von Münster als Teil des Westfälischen romantische Vorstellung des 19.
Friedens von 1648 Begründung des völker- Jahrhunderts von der Existenz einer
rechtlichen Konzepts souveräner Nationalstaaten souveränen Nation; Eugène
Delacroix, (Westfälisches System) 1830
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Es führt hier zu weit, das Phänomen des Nationalstaats staatsphilosophisch zu
beschreiben, nur so viel, dass er auf dem Schutz der den Staat tragenden
Volksgemeinschaft(en) und deren Wohlstandsmehrung beruht, vorwiegend auch auf
Kosten der anderen Nationalstaaten. Autarkie und Abschottungsbestrebungen waren
einerseits und andererseits Eroberungskriege die Folge.
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Dieses nationalstaatstragende Prinzip der Wohlstandsmehrung erhielt seine
philosophische Begründung durch den schottischen Moralphilosophen Adam Smith
(1723 1790) in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen“, in dem er von
einer „unsichtbaren Hand (Gottes?)“ sprach, durch die die Wohlhabenden,
ohne dies zu beabsichtigen, dazu geleitet werden, ihren Reichtum mit den Armen
zu teilen.“ Er gilt als Begründer der klassischen Nationalökonomie und damit der
freien Marktwirtschaft, die sich dann aber nach und nach bis heute zu einem
ruinösen Turbo-Kapitalismus entwickelte. Statt „den Reichtum mit den Armen
Adam Smith zu teilen“ erleben wir heute das krasse Gegenteil durch das stetige
Auseinanderdriften des Wohlstandes von sehr wenigen überreichen Individuen hin zu
massenhafter Armut weltweit.
Durch den von den Nationalstaaten betriebenen zunehmenden Wettbewerb um
die Früchte des technischen Fortschritts, der durch die kapitalistische
Wirtschaftordnung maßgeblich angeheizt wurde, kam es vor allem in Europa
immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Bis etwa Mitte des 19.
Jahrhunderts galt das Wort des preußischen Generals und Militärtheoretikers
Carl von Clausewitz (1780-1831), wonach "der Krieg eine bloße Fortsetzung der
Carl von Clausewitz Politik mit anderen Mitteln" sei (Vom Kriege, 1. Buch, 1. Kapitel, Unterkapitel 24).
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Solche Verharmlosung konnte aber seit der Schlacht von Solferino, der
Entscheidungsschlacht im Sardinischen Krieg zwischen dem Kaisertum
Österreich und dem Königreich Piemont-Sardinien, sowie dessen Verbündetem
Frankreich unter Napoleon III. nicht mehr aufrecht erhalten werden. Am Abend
des 24. Juni 1859 sah Henry Dumont, der zufällig anwesend war, massenhaft
Gefallene unversorgt auf dem Schlachtfeld liegen und begann vorbildhaft für
Andere spontan Erste Hilfe zu leisten. Es war nicht nur die Geburtsstunde des
Henry Dumont Roten Kreuzes, sondern auch der Beginn der Einsicht, dass fortan Kriege nicht
mehr wirkliche Siege, sondern nur noch Verluste für beide Beteiligte verursachen würden.
Dennoch folgten noch die Kriege 1864, 1866, 1870/71, sowie der Erste und der Zweite
Weltkrieg mit weiter zunehmenden unermesslichen Greueln und Leiden.
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Der auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Wilson ins Leben gerufene
Völkerbund, der die Antwort der politischen Vernunft auf das unsägliche Leid des
Ersten Weltkriegs bilden sollte, scheiterte nicht zuletzt am Nichtbeitritt der
Vereinigten Staaten, deren Präsident Wilson doch war. Die Beurteilung der
Wirksamkeit des 2. Versuchs, der Gründung der Vereinten Nationen nach dem
zweiten Weltenbrand, gehört schon zu unserem Vorhaben, uns im Jahre 2017 über die
Lage unserer Gegenwart zu orientieren und klar zu werden.
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Nun, was Europa betrifft, so hat der Zweite Weltkrieg nach einer kurzen Phase von
Siegerposen und Demütigungen im Westen Europas Einsichten hervorgebracht, die
mit der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich die mit Polen erfolgte
später als deutsche Nachbarn den Boden bereitete für die Gründung der
Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) 1951 und in deren
Folge den Abschluss der Verträge von Rom für die Bildung der politischen
Europäischen Gemeinschaft (EG) 1957. Das Ziel war: Nie wieder Krieg zwischen
europäischen Staaten. Bis heute ist das fast gelungen, fast“, weil die 4 Balkankriege
zwischen 1991 und 1999 ebenfalls durch Greuel und Opfer gekennzeichnet waren.
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Nach diesen Vorbemerkungen kommen wir zu unserem eigentlichen Anliegen, unsere
gegenwärtige Situation zu beschreiben, besser zu verstehen, und zu versuchen,
aufgrund dieses Verständnisses Möglichkeiten, vielleicht sogar Wahrscheinlichkeiten
auszumachen, wohin unsere weitere Reise durch die Zeit gehen könnte. Dabei kann
uns der grob skizzierte Blick zurück auf die Anfänge und auf das bisher Geschehene
sicher helfen.
Die Luft wabert und vibriert in trügerischer Ruhe, hatte ich eingangs geschrieben.
Kann es sein, dass wir uns tatsächlich einem wie in dem geschichtlichen Rückblick
mehrfach beschriebenen Umbruch nähern?
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Schauen wir zuerst auf Europa. Was ist aus dem Willen und dem Geist zum
Neuanfang geworden, in dem 1957 die Römischen Verträge geschlossen wurden und
denen auch die Völker der damals sechs beteiligten Länder begeistert zugestimmt
hatten? Heute gehören noch 27 Länder zu der inzwischen gebildeten Europäischen
Union; das 28. Land ist gerade dabei, durch Volksabstimmung (Brexit) wieder
auszutreten. Die EU besteht aus demokratischen Nationen, aber sie selbst hat in ihren
Beschlussgremien, die einen demokratischen Staatenbund ausmachen, auf
demokratische Strukturen verzichtet, wenn man mal von dem mehr als Feigenblatt
dienenden europäischen Parlament absieht. In den Verträgen von Maastricht 1992 und
Lissabon 2007 wurden von den Regierungschefs der Mitgliedsländer weitreichende
Beschlüsse gefasst, die nur zum Teil demokratisch legitimiert waren. Aber der größte
Fehler war, dass die Völker der Mitgliedsstaaten uninformiert und unbeteiligt blieben,
und sich deshalb eine gefühlsmäßige Distanz der Menschen zu den europäischen
Institutionen bildete. Diese gefühlte Distanz macht heute in einigen Ländern
Osteuropas eine rückwärtsgewandte, zum Teil Europa-feindliche Politik durch dort an
die Macht gekommene nationalistische Regierungen möglich. In der Gruppe der Euro-
Länder macht sich Europaskepsis vor allem durch die Ungleichgewichte in der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemerkbar, da die in den schwachen Ländern
dadurch angehäuften Schuldenberge inzwischen über die entstandene Arbeitslosigkeit
die breite Bevölkerung treffen. Überall sind deshalb sogenannte „Populistische“
Strömungen auf dem Vormarsch und bringen das in meinen Augen höchst
wünschenswerte, ja eigentlich unverzichtbare europäische Projekt in Gefahr.
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„Populistische“, rückwärts gewandte Strömungen sind aber nicht nur in Europa,
sondern leider in vielen Weltgegenden anzutreffen. So geben die Entwicklungen in der
Türkei, Russland, Naher und Mittlerer Osten, Nord- und jetzt auch Südkorea, China
zur Sorge Anlass, und neuerdings auch in den USA. Ein noch größeres Problem ist die
unvorstellbare Not und Armut in den wirtschaftlich unterentwickelten und politisch
instabilen Ländern in Afrika, Asien und Südamerika mit den sich daraus ergebenden,
erst am Beginn stehenden Wanderbewegungen der Menschen auf der Suche nach
Überlebensmöglichkeiten. Wir erinnern uns: Der Zusammenbruch des Römischen
Weltreichs wurde neben der degenerativen Entwicklung im Innern maßgeblich durch
die Völkerwanderung mit verursacht. Und nicht zu vergessen: Die wirkliche Ursache
des Problems liegt in dem auf Ausbeutung gerichteten Kolonialismus der europäischen
Staaten in den letzten Jahrhunderten.
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Und über allem Anderen bedroht unsere Zivilisation die von uns Industriestaaten
verursachte Zerstörung unserer Umweltressourcen, die aber nicht nur sie, sondern die
Menschheit in ihrer Gesamtheit betreffen wird.
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Stehen wir also wieder einmal vor einer solchen Zeitenwende, wie von Arnold
Toynbee beschrieben? Wenn wir die hier nur oberflächlich skizzierte Beschreibung
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des heutigen Ist-Zustandes Europas und der Welt weiter vertiefen würden, was hier
aber nicht unser Anliegen ist, kämen wir sicher an einem „Ja“ auf diese Frage nicht
vorbei.
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Worin würde sich so ein gigantischer Umbruch der kulturellen und zivilisatorischen
Lebensumstände von den bisher in der Geschichte stattgefundenen unterscheiden?
Wenn wir noch einmal zurückschauen auf die bisherigen Zusammenbrüche mit den
daraus neu entstandenen kulturellen Machtgefügen, dann haben diese in geographisch
mehr oder weniger fest umrissenen Gebieten und global betrachtet auch zu
unterschiedlichen Zeiten stattgefunden. Das wird diesmal anders ablaufen. Zwar ist
unsere Gegenwart immer noch durch geographisch differenzierbare politische
Machtzentren gekennzeichnet, die sich darin unterscheiden, wie weit sie in der
Überwindung der nationalen Kleinstaaterei fortgeschritten sind. Über all diesem hat
sich im letzten Jahrhundert eine Macht entwickelt, die in ihrer Globalität den ganzen
Erdball umfasst. Es handelt sich bei dieser Macht um den ausufernden
Turbokapitalismus, durch den das ursprüngliche Ziel des Wirtschaftens, die Menschen
durch maßvollenWohlstand freizumachen von der täglichen Sorge um ihr Überleben
zugunsten ihres stetigen, auf Kultur gegründeten geistigen Wachstums, um eines
maßlosen Profitstrebens willen aufgegeben wurde. Und dies ist der eigentliche Grund
unserer Weltenkrise, auf deren Überwindung nur der Aufbruch in einen Neuanfang
folgen kann.
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Diese Zeitenwende kann keine geographisch begrenzte mehr sein, sie kann nur eine
Zeitenwende sein, die den ganzen Planeten umfasst. Und das, weil die Krisenursache
global ist, weil die einzelnen Probleme, die sie kennzeichnen, globaler Natur sind.
Diese Probleme sind sehr deutlich angerissen in den „Global Goals“, die sich 193
Staaten unter dem Dach der UN 2015 gegeben haben:
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Armut, Hungersnot, Gesundheitsversorgung, Bildung, Gleichberechtigung, Sauberes
Wasser, Sanitäreinrichtungen, Umweltsanierung, Arbeit, Infrastruktur, Gerechtigkeit,
umweltverträgliche Besiedlung, maßvoller Ressourcen-Verbrauch, Klimaschutz,
Schutz der Weltmeere, Schutz des Lebens, Frieden.
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Andere kommen hinzu: Neben einem entmenschlichten Terrorismus ist es vor allem
der Rückfall in Nationalismus und das Verschließen der Augen vor der Not und dem
Leid der Mitmenschen durch Abschottung, Schutzmauermentalität und neuerdings der
Ruf „My country first“, was frei übersetzt heißt: „ Ihr Anderen seid mir völlig egal“.
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Doch zurück zu unserem Anliegen: „Orientierung im Jahr 2017. Nach der
Kenntnisnahme des Ist-Zustandes unserer Gegenwart inmitten einer sich mehr und
mehr verschärfenden globalen, die Erde als Ganzes umfassende Krise und der groben
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Beschreibung der historischen Entwicklung dahin bis heute, ist auf Grundlage dieser
Zustandsanalyse nach dem oder den Wegen Ausschau zu halten, auf denen wir die
Krise nicht nur überwinden, sondern zu einem nachhaltigen neuen Aufbruch des
menschlichen Lebens auf unserem Planeten finden können.
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Dazu müssen wir zuerst nach den übergeordneten tieferen Ursachen suchen, die
verantwortlich für diesen beklagenswerten Istzustand sind. Was zuerst ins Auge fällt,
ist ein auf allen gesellschaftlichen Ebenen vorherrschender Egoismus, sowohl beim
einzelnen Menschen, in Ehe, Partnerschaft und Familie, in den kommunalen und
staatlichen Gesellschaften, auf den Ebenen der Wirtschaft, der Politik und sogar der
Kultur im engeren Sinne. Ob in sogenannten demokratisch verfassten, autokratisch
oder diktatorisch gelenkten Staatsformen alle gesellschaftlichen Strukturen sind von
dem wuchernden Krebsgeschwür des Egoismus betroffen. Die ethischen Normen des
Mitgefühls, der Demut, Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft, der Empathie führen ein
Schattendasein.
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Dabei spielten gerade diese Tugenden in den von Arnold Toynbee (s.o.) beschriebenen
Aufbruchsphasen von neuen Kulturen eine entscheidende Rolle. Sie kamen fast immer
durch geistig und ethisch orientierte Offenbarungsereignisse in die sich wandelnde
Gesellschaft, wie Toynbee konstatiert. Egal, wie unsereins zum Phänomen „Glauben“
oder „Religion“ steht, die durch „Offenbarungen“ in die Gesellschaften quasi mittels
Erziehung eingepflanzte Ethik bildete stets den Treibsatz für eine sich neu entfaltende
Kultur. Man könnte beinahe meinen, dass sich hier das die Natur beherrschende
Prinzip der Evolution auch bei der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in
Form des Werdens und Vergehens der Kulturen fortsetzt, und dass an deren Beginn
jeweils eine (religionsorientierte) Offenbarung steht.
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In meinen Augen sieht es nun so aus, dass sich in der Zeit der Generationen, in der wir
gerade leben, so ein großer Wandel bestehend aus einem kulturell-gesellschaftlichen
Niedergang und einem daraus folgenden Neuanfang abspielt. Aber mit einem großen
Unterschied: Während sich solche Umwälzungen in der Vergangenheit in regional
begrenztem Umfeld abspielten das Wissen und Empfinden einer Menschheit in
planetarer Dimension war ja noch nicht vorhanden umfasst dieser Neubeginn jetzt
die Erde als Ganzes.
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Nur um die Dimension dieses Wandels
begreiflich zu machen, sollten wir uns daran
erinnern, dass es bisher nur einmal in der
Geschichte der Entwicklung des Menschen den
Beginn eines solchen Ereignisses mit letztlich
globaler Auswirkung gab: Es begann vor etwa
100.000 Jahren, als die neue Spezies Homo
Sapiens sich aufmachte, den Ort ihrer
Entstehung, den im heutigen Kenia gelegenen
Teil des ostafrikanischen Grabens, in Richtung
Norden zu verlassen, um sich in langen
Wanderbewegungen auf der ganzen Erde zu
verbreiten.
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Wie aber kann nun ein solch umfassender Wandel heute vor sich gehen? Wie kann er
letztendlich erfolgreich bewirkt werden? In Wirklichkeit ist er ja längst im Gange. Für
die meisten von uns ist er noch unbemerkt. Derzeit werden wir noch medial mit
Hiobsbotschaften in einer Weise überschüttet, die uns den Blick auf die Kräfte
verstellen, die die Entwicklung des großen Umbruchs vorantreiben helfen. Noch sind
die meist unwissentlichen Verhinderer an den Schaltstellen der Macht und stellen
zusammen mit den wenigen noch unverbesserlichen Egomanen, die um ihre Pfründe
fürchten, ein ernst zu nehmendes Bollwerk gegen die immer stärker werdende Flut der
Kräfte des Wandels dar. Die überwiegende, noch unwissende Mehrheit der
Menschheit ist noch unorientiert und nimmt das zunehmende Leid des Niedergangs
mehr oder weniger ergeben hin.
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Stellvertretend für die Kräfte in unserer Gesellschaft, die den vor uns liegenden großen
Wandel vorantreiben helfen, soll die Initiative Vision Summit“ und „Future for all“
des Berliner Genesis-Instituts vorgestellt werden. Der Initiator
dieses Instituts, das inzwischen zur Plattform von weiteren
zahlreichen Initiativen in Richtung des großen Wandels
wurde, ist der Zukunftsforscher Peter Spiegel, den man hier
unter
http://www.genisis-institute.org/detailansichten/video-statement/article/angela-lawaldt.html
kennenlernen kann.
Für eine inzwischen weltweit bekannte Initiative steht Mohamed Yunus. Er ist
Gründer und ehemaliger Geschäftsführer der Mikrokredite vergebenden Grameen
Bank und damit einer der Begründer des Mikrofinanz-Gedankens. 2006 wurde er
mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
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Für einen Wandel in der Bildung steht die Initiative EduAction. Die
WeQ-Foundation will der Bildung und der Denk-Kultur eine
alternative Wirkweise implementieren, weg von der IQ-Messung des
Individuums und dessen Bewertung hin zu einer durch Vernetzung der
Intelligenzen erzielbaren vielfachen Wirkungskraft.
Ein Bericht des renomierten Club of Rome ist betitelt mit „Ein Prozent ist genug.
Mit wenig Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen“.
Die Fronten sind verhärtet: hier die Anhänger des Degrowth, die negative Wachstumsraten für
unverzichtbar halten dort die Mehrheit der Wachstumsgläubigen, die noch
immer von zweistelligen Zuwächsen träumt, obwohl solche Zahlen für reife
Volkswirtschaften auf Dauer unmöglich sind. Radikale Rhetorik und
Konzepte scheinen mehr denn je nötig zu sein, um sich Gehör zu
verschaffen. Doch gibt es wirklich keine Lösungen dazwischen? Für Jorgen
Randers und Graeme Maxton ist es höchste Zeit, Realitäten anzuerkennen
und Denkblockaden zu überwinden. In »Ein Prozent ist genug« stehen die
Industrieländer im Mittelpunkt, deren Wirtschaft kaum noch wächst. Der
aktuelle Bericht an den Club of Rome räumt auf mit dem Mythos der
Alternativlosigkeit und präsentiert einen Maßnahmenkatalog für überfällige Reformen in
Politik und Wirtschaft: für den Umbau unserer sozialen Sicherungssysteme, für
menschenwürdige Arbeitsplätze und einen Klimaschutz, der der Wirtschaft nutzt.
Eine weitere Initiative dieses Think Tank ist die Social Innovation als dritte
Innovationssäule, genauso wichtig oder wichtiger als Highttech- und digitale Innovationen.
2012 schlug Genisis bei Gesprächen mit mehreren Ministerien vor, dass die deutsche
Bundesregierung soziale Innovationen als "dritte Innovationssäule" neben technologischen
und digitalen Innovationen betrachten solle. Ein Jahr später wurde dieses Thema zum
Leitgedanken des ITA-Forums, der jährlichen Think-Tank-Konferenz des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung, und 2015 verkündete Bundeskanzlerin
Angela Merkel beim 2. Internationalen Deutschlandforum im Kanzleramt, dass sie soziale
Innovationen als genauso wichtig ansieht für unsere Zukunft wie digitale und technologische
Innovationen. Social Innovation ist spätestens seit 2015 ein international etablierter
Schlüsselbegriff für unsere Zukunftsgestaltung.
Die Idee eines globalen Mindestlohns, bekannt als „Die 1-Dollar-Revolution“ ist
eine sozial- und wirtschaftspolitische Innovation als Basis einer globalen ökosozialen
Marktwirtschaft. Wenn man sich die Frage stellt, welche Maßnahme die größtmögliche
Wirkung zeitigt für die schnelle und nachhaltige Überwindung der Armut in der Welt, für die
Beseitigung eines Großteils der Fluchtgründe und für die Freisetzung des größten sozialen
und ökonomischen Wachstumspotenzials der Weltgesellschaft, so lautet jeweils die Antwort:
ein globaler wettbewerbsneutraler Mindestlohn. Der Vorschlag, den Georgios Zervas in
Zusammenarbeit mit dem Genisis Institute erarbeitet hat, sieht eine Lohnuntergrenze von
mindestens einem Dollar vor, der sukzessive mit dem BIP eines Landes wächst. Der
Vorschlag ist wettbewerbsneutral konzipiert, so dass kein Unternehmen einen Nachteil daraus
hat, sondern alle davon profitieren. Auch die neuen Global Goals sind am effektivsten durch
einen globalen Mindestlohn erreichbar.
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Mit Social Business hat Prof. Muhammad Yunus ein neues, nachhaltiges
Geschäftsmodell geschaffen: Unternehmen, deren primäre Zielsetzung nicht darin liegt,
Profite zu maximieren oder eine Dividende an Investoren auszuschütten, sondern soziale und
ökologische Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Social Business zahlt die ursprünglichen
Investitionen zurück und reinvestiert seinen Profit in Innovationen oder weiteres Wachstum,
um seine sozialen Ziele voranzutreiben.
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Alle solche Initiativ-Projekte, die sich weltweit unter dem Oberbegriff „NGO - none
governmentel Organization Nichtregierungsorganisationen gründen und deren Zahl
ständig zunimmt, sind ein hoffnungsvolles Zeichen für die Kräfte, die sich der weltweiten
Götterdämmerung entgegenstellen. Aber sie haben fast alle eines gemeinsam: Sie arbeiten
daran, die zahlreichen Fehlentwicklungen und Verschlimmerungen der Welt(un)ordnung, in
der wir heute leben, zu beseitigen oder wenigstens abzumildern. Sie arbeiten also mehr oder
weniger an Details. Damit gleicht ihr Wirken der Arbeit vieler an einem maroden Gebäude,
dessen endgültiger Zerfall dadurch verzögert werden soll, dass zunehmend auftretende
Mauerrisse mit frischem Mörtel zugeschmiert, herabfallende Tapeten wieder angeklebt,
zerstörte Dachteile ersetzt und verblassende Fassaden mit neuem Anstrich versehen werden.
Dass aber der Zerfall der Fundamente dieses Hauses schon so weit fortgeschritten ist, dass
das Haus als Ganzes nicht mehr gerettet werden kann, wird dabei oftmals nicht
wahrgenommen.
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Noch einmal: Wir leben in der Zeit eines bedeutenden Wandels, der aus einem globalen
kulturell-gesellschaftlichen Niedergang und einem darauf folgenden erdumfassenden
Neuanfang besteht. Eine Zeitenwende dieser Dimension hat es in der bisherigen
Geschichte der Menschheit nicht gegeben. Sie ist daher ohne Beispiel und damit
wirklich die größte Herausforderung der Menschheit, die es je gegeben hat. Die
eigentlich in Dimension und Leiden unvorstellbare Weltenkrise, die uns heute umgibt,
sollte jedem klar machen, dass der Beginn des Umbruches unmittelbar, das heißt, in
den nächsten 5-10 Generationen, bevorsteht.
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Wenn Sie mir bis hierher auch mit von mir gewünschten kritischen Gedanken dem
Grunde nach folgen konnten, möchte ich mich nicht im Sinne eines Zukunftsforschers
äußern, indem ich den Versuch unternehme, den Entwurf einer Neuen Weltordnung in
einzelnen Facetten ihrer Gestaltung zu versuchen und den Weg dahin detailiert zu
beschreiben. Ich möchte nur darum bitten, den Absatz 23 noch einmal zu lesen, da er
mehr oder weniger die Grundlage der nun zum Abschluss folgenden Überlegungen ist.
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Am Anfang jeder neu aufscheinenden kulturellen Gesellschaftsordnung steht ein
ethischer Werte-Kanon, der teils in der Bestätigung früherer, aber inzwischen nicht
mehr beachteter, teils aus neuen, teils aber dann auch außer Kraft gesetzter seinerzeit
offenbarter Werte besteht. Hier folgt ein Beispiel einer solchen ethisch orientierten
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Werteordnung, wie sie für die neu anbrechende globale Gesellschaftsordnung gelten
könnte:
Sei freigebig im Glück und dankbar im Unglück.
Sei des Vertrauens deines Nächsten wert und schaue hellen und freundlichen
Auges auf ihn.
Sei ein Schatz dem Armen, ein Mahner dem Reichen, eine Antwort auf das
Stöhnen des Bedürftigen, und halte dein Versprechen heilig.
Sei gerecht in deinem Urteil und behutsam in deiner Rede.
Sei zu keinem Menschen ungerecht und erweise Allen Sanftmut.
Sei wie eine Lampe für die, die im Dunkeln gehen, eine Freude den Betrübten,
ein Meer für die Dürstenden, ein schützender Port für die Bedrängten, Stütze
und Verteidiger für das Opfer der Unterdrückung.
Lass Lauterkeit und Redlichkeit all dein Handeln auszeichnen.
Sei ein Heim dem Fremdling, ein Balsam dem Leidenden, dem Flüchtling ein
starker Turm.
Sei dem Blinden Auge und ein Licht der Führung für den Fuß des Irrenden.
Sei ein Schmuck für das Antlitz der Wahrheit, eine Krone für die Stirn der
Treue, ein Pfeiler im Tempel der Rechtschaffenheit, Lebenshauch dem Körper
der Menschheit, ein Banner für die Heerscharen der Gerechtigkeit, ein
Himmelslicht am Horizont der Tugend, Tau für den Urgrund des
Menschenherzens, eine Arche auf dem Meer der Erkenntnis, eine Sonne am
Himmel der Großmut, ein Stein im Diadem der Weisheit, ein strahlendes Licht
am Firmament deiner Zeitgenossen, eine Frucht am Baume der Demut.
Aus einer Offenbarungsschrift des persischen Edelmannes Bahá’u‘lláh
Von ganz zentraler Bedeutung ist die am Schluss dieses Werte-Kanons genannte
Tugend der Demut. Und über dem Ganzen schwebt die ethische Eigenschaft des
Altruismus. Es geht hier um das „Sein-Sollen“ des einzelnen Menschen.
Was das „Tun“ betrifft, so könnte das Friedrich Schiller-Zitat gelten:
Immer strebe zum Ganzen und, kannst du selber kein Ganzes werden, als dienendes Glied einer Kette
schließ in ein Ganzes dich ein!
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Die Mittel, solchen neuen Werte-Kanon als Grundlage für die Entwicklung eines
neuen Gesellschaftskörpers dieses Mal im Weltmaßstab zu machen, sind Bildung
und Erziehung.
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In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis wichtig, das die gegenwärtige
Handhabung von Bildung und Erziehung als die eigentliche Ursache des Niedergangs
der gegenwärtig auf der Erde vorhandenen Gesellschaftskörper anzusehen ist. Das
betrifft in erster Linie die Macht-Eliten dieser Gesellschaftskörper als auch deren
Mitglieder insgesamt. Demokratien setzten gebildete Demokraten voraus, sonst ist die
Demokratie-Doktrin nicht durchsetzbar und damit wertlos. Autokratien und Diktaturen
können ohne gebildete Machtinhaber und ohne gebildete Untertanen fast nur mit
blutiger Gewalt gestürzt und wieder nur durch mangelhafte neuen Staatsformen ersetzt
werden.
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Es kommt also in erster Linie auf die Durchsetzung eines weltweiten Bildungs- und
Erziehungssystems an, dessen Hauptanliegen darin besteht, die beispielhaft im Absatz
31 genannten Werte zu vermitteln und nach und nach wirksam werden zu lassen und
zwar vertikal vom Kindergarten bis zur Elite Universität und horizontal weltweit, aber
sorgfältig abgestimmt auf die jeweils geographisch vorhandenen gesellschaftlichen
und kulturellen Gegebenheiten. Spezielle Plattformen solcher Bildungseinrichtungen
müssten unbedingt für die Macht-Eliten aller hierarchischer Stufen eingerichtet
werden. Besonderer Augenmerk wäre der Lehrer- und Erzieher-Ausbildung zu
widmen. Die Realisierung könnte im Rahmen der UN durch die UNESCO erfolgen.
Natürlich ist klar, dass die Implementierung dieses in Abschnitt 31 dargestellten
Wertesystems „sanft“ vollzogen werden muss, denn die globale Menschheit wäre
heute damit hoffnungslos überfordert. Sie muss natürlich nach dem Prinzip der
„kleinen Schritte“ erfolgen, also innerhalb des in Abschnitt 29 genannten Zeitraums.
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Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zum Begriff „Macht“. Man ist heute
gewohnt, diesen Begriff je nach gesellschaftlicher Stellung wertend zu sehen, und
zwar, wenn man keine Macht hat also „ohnmächtig“ ist – negativ. „Die da oben“,
also „über mir“, denn ich fühle mich „unten“, also unterlegen.
Bei den Macht-Inhabern gibt es eine ganze Menge, die ihre Macht „genießen“, die sie
dazu benutzen, sie andere „spüren“ zu lassen. Und dann gibt es da die gar nicht so
kleine Gruppe, die nach anfänglichem Stolz darüber, wie auch immer sie erlangt zu
haben, sie später zunehmend als „Last“ empfinden und deshalb nur noch „lasch“ ihrer
mit der Macht übertragenen Verantwortung gerecht werden.
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Der Begriff „Macht“ ist zunächst wertfrei. Macht wird benötigt, etwas für Andere zu
gestalten. Macht über das eigene Selbst wird benötigt, um beim Verfolgen eigener
Ziele nicht nachzulassen oder zu bequem zu werden.
Mit der Übertragung oder der Gewinnung von Macht ist in erster Linie Verantwortung
verbunden und zwar je größer die Auswirkung auf Andere, desto schwerer wiegt die
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Verantwortung. Es wird klar, dass im Kontext des oben beschriebenen neuen Werte-
Kanons unmittelbar zu Übertragung und Annahme von Macht die Tugend der Demut
gehört. Das dürfte das absolut Neue bei der Errichtung einer neuen
Gesellschaftsordnung sein. Es geht also nicht nur um fachliche, sondern
gleichbedeutend auch um sittliche Eignung.
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Zu dem auf das menschliche Individuum bezogenen ethischen Werte-Kanon kommt
der Werte-Kanon für den globalen Gesellschaftskörper der Menschheit als Ganzes, an
dessen Anfang die Forderung steht, überall auf dem ganzen Planeten gleichwertige
Lebensbedingungen herzustellen und zu bewahren. Es geht ausdrücklich nicht um
gleichartige Lebensbedingungen ein solches Ziel würde sowohl der Bewahrung der
kulturellen Vielfalt als auch der individuell zu garantierenden Selbstbestimmung
entgegenstehen. Dieses Ziel setzt einen Wandel im Feld des bisherigen ökonomischen
Handelns und Denkens voraus, was wiederum nur unter Einbeziehung des ethisch
orientierten individuellen Werte-Kanons möglich ist.
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In diesem Zusammenhang dürfte es von Interesse sein, einen
Blick auf das regionale Datengerüst zu werfen, wie es sich
aufgrund des Berichtes der Weltbank für 2016 darstellt. Die Daten entstammen den
Regionen , in denen die Weltbank tätig ist.
Region Einwohner Einwohner mit
2010 niedrigstem Einkommen
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Afrika 874 Mill. 398 Mill. unter 1,90 US$/Tag
Ost-Asien und Pacific 1.964 Mill. 226 Mill. unter 1,90 US$/Tag
Europa und Zentral-Asien 399 Mill. 13 Mill. unter 1,90 US$/Tag
Latein-Amerika und Caribien 531 Mill. 38 Mill. unter 1,90 US$/Tag
Mittel-Ost und Nord-Afrika 332 Mill. 10 Mill. unter 1,90 US$/Tag
Süd-Asien 1,629 Mill. 437 Mill. unter 1,90 US§/Tag
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Summen 5.729 Mill. 1.122 Mill. unter 1,90 US$/Tag
Dieser kleine Exkurs in die Statistik zeigt nicht annähernd die Größe der
Herausforderung, vor der die Welt steht. Die gewählten 1,90 US$ als Armutsgrenze
sind sicher zu niedrig angesetzt, was die Zahl der Betroffenen bei richtigem Ansatz
natürlich vergrößert. Der Einfluss der gegenwärtigen Fluchtbewegungen und
Kriegshandlungen blieb dabei leider außer acht.
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Es ist das Ziel dieses Beitrags, dass sich immer mehr Menschen einbringen in die
Bewältigung der großen Herausforderung, die der vor uns liegende epochale Wandel
für uns alle bedeutet und die letztlich über den Fortbestand der Spezies „Mensch“ auf
unserem immer noch wunderschönen blauen Planeten Erde entscheiden wird.
„Die Erde ist nur EIN Land,
und alle Menschen sind seine Bürger.“
"Die Menschheit wurde erschaffen,
eine ständig fortschreitende Kultur voranzutragen".
Bahá’u’lláh