Die ist die Kernseite des
Blogs. Hier findet man umfangreichere
Bearbeitungen
von Themen, die zum Verständnis der Zielsetzung "Eine Welt
für Alle" in irgend
einer Form beitragen.
15. Juni 2020
Nachdem am 26. April das Leseprotokoll für die Abschnitte
2 und 3 des
Kapitels "Einführung" des Buches von Zhaho Tingyang, "Alles unter dem Himmel"
hier eingestellt wurde, beenden wir heute dieses Kapitel mit dem Leseprotokoll
der
Abschnitte 4 bis 6.
4. Die Inklusion der Welt und die
Souveränität der Welt
Der Nationalstaat als gegenwärtig geographisch höchste
Entität ist zwar durch das Hineinwachsen
des Globalen in seine Souveränität
gezwungen, eine Sparte „Internationale Politik“ zu entwickeln,
die aber
darauf gerichtet sein muss, die Staatspolitik nach Innen nicht negativ zu
berühren oder nach
Außen auf Kosten der Anderen für die Innenpolitik Früchte
zu tragen. Eine politische Theorie
für die Menschheit als Ganzes kann also
nicht auf ein Anhängsel der Staatspolitik gegründet werden.
Nach ausführlichem Eingehen auf Beispiele für die
Unmöglichkeit, mit Hilfe solcher staatlich- internationaler
Politik einen
Durchbruch zu einer mit voller Souveränität ausgestatteten systemischer
Weltinnenpolitik
zu gelangen, konstatiert Zhao
Tingyang:
„Die moderne politische Philosophie basiert nicht
auf einer politischen Theorie von universeller Geltung,
sie ist eine
ausschließlich nationalstaatliche Theorie. Wir müssen einen neuen
Ausgangspunkt
für das Politische finden. Vor allem benötigen wir das Prinzip
der Inklusion der Welt. Eine Spielregel des
politischen Spiels hat nur dann
universelle Geltung, wenn sie auf die gesamte Welt anwendbar ist.“
Diese neue politische Theorie muss Koexistenz zu ihrer
ontologischen Grundannahme machen. Nur so ließe
sich die Idee der Inklusion
als Grundprinzip einer Weltinnenpolitik politikphilosophisch nicht nur denken,
sondern als Konfliktvermeider und Friedenserhalter verwirklichen. Natürlich
wird es immer Konflikte auf der
Welt geben; sie sind Teil nicht nur des
menschlichen, sondern des Lebens an sich. Eine vollkommen
„harmonische“ Welt
ist Illusion. Die universelle Geltung einer politischen Regel liegt in ihrer
Fähigkeit,
stets aufs Neue auftretende Konflikte zu lösen, nicht darin, ihr
Auftreten zu verhindern. Die entscheidende
Frage der Inklusion der Welt ist
die Möglichkeit stabiler und auf Vertrauen basierender Koexistenz.
zu erwarten, sondern nur von einer Veränderung im Wesen
der existentiellen Ordnung. Solange die
vorgegebene Prämisse des Spiels
stets die Maximierung des privaten Nutzens der am Spiel Beteiligten und die
gegenseitige Konstituierung einer negativen äußeren Existenz ist, bleibt die
Lösung von Konflikten zwangsläufig
ausgeschlossen.
deutsch übersetzten Textstellen des Autors
umgangssprachlich zu formulieren:
Zunächst also der Text des Buches:
Dass vor dem
Einsetzen der Globalisierung die Interdependenz der Staaten noch nicht den Grad
der Manövrierunfähigkeit erreicht hatte, war der Grund dafür, dass der Frage
der Inklusion der
Welt über lange Zeit nicht die notwendige Aufmerksamkeit
geschenkt wurde. Deshalb bildete sich
auch kein über die staatlichen
Interessen hinausgehendes gemeinsames Weltinteresse, so dass die
Frage einer
gemeinsamen Weltpolitik nicht existierte. Die Globalisierung der wechselseitigen
Lebensverhältnisse, Ökonomien, Märkte, Finanzen und Kulturen bewirkt, dass
das Leben jedes
Einzelnen sich nicht nur an irgendeinem Ort (somewhere)
vollzieht, sondern gleichzeitig überall
auf der Welt (everywhere).
Gegenwärtig mag das noch nicht der Fall sein, aber in naher Zukunft
wird es
so sein, das Internet ist der globalisierte Vorbote. Globalisierung geht weit
über extrem
entwickelte Kommunikation hinaus, sie bedeutet »Trans-Existenz«
(transexistence) aller Wesen
und Dinge, wir sprechen daher von einer
Veränderung im ontologischen Sinne. Die sich abzeichnende
globale Politik
erfordert die Schaffung neuer Spielregeln und Machtstrukturen, die Neuverteilung
von
Interessen und Ressourcen, neue Geschichtsnarrative und Kenntnisse unter
den Bedingungen der
Inklusion der Welt. Erforderlich sind entsprechende
politische Prinzipien und Systeme, die eine globale
gemeinsame Lebensordnung
und deren politische Legitimität garantieren. Die dem Problem innewohnende
Logik lautet: Die Globalisierung wirft zwingend die Frage der Inklusion der Welt
auf, diese verlangt
zwingend die Schaffung eines neuen Tianxia-Systems und
das neue Tianxia-System bedeutet die
Anerkennung der Welt als politisches
Subjekt und im Besitz der Weltsouveränität.
Und hier mein umgangssprachlicher Versuch zum besseren
Verständnis dieses Textes:
Lebensverhältnisse
hat die Globalisierung längst eingesetzt, während die politischen Aktivitäten
der
internationalen Staatenwelt in den alten Denk- und Handlungsmustern
nicht nur verharrten, sondern sich
aus Angst vor Verlusten an
Eigennutzmaximierungsmöglichkeiten noch verfestigten. So konnte und kann
ein
Interesse an der Gestaltung einer gemeinsamen Welt (innen)politik nicht
entstehen.
Eine solche globale Politik würde die Schaffung neuer
Machtstrukturen zur Sicherstellung einer
Weltsouveränität erforderlich
machen verbunden mit einer Neuverteilung von Interessen und Ressourcen,
einem neuen Blick auf die Menschheitsgeschichte und das Erlernen von Kenntnissen
der Inklusion der Welt
(Außen wird zum Innen). Kurz: Es geht um die
Anerkennung der Welt als politisches Subjekt im Besitz
der Weltsouveränität.
Die übergeordnete Weltsouveränität und die
Staatssouveränität formen eine Art föderatives System,
in dem die geo-,
sozio- und kulturellen Unterschiede weiterhin bei den Staatssouveränitäten
verbleiben,
aber politische Entscheidungen, die das kollektive
Menschheitsschicksal betreffen einschließlich der
globalisierenden
Angelegenheiten, wie Finanzen (Eine Weltwährung mit der Institution einer
Weltzentralbank),
Hochtechnologie, Internet, aber auch Weltbildungspolitik
und vor allem auch militär-polizeiliche
Machtausübung zur Aufrechterhaltung
von Weltordnung obliegen der Weltsouveränität.
Die Phase der Errichtung der Weltsouveränität mit der
Vollendung der Inklusion erfordert aber auch ein
waches Bewusstsein für die
Gefahren des Verlustes von Freiheit. Hochgradige Technisierung begünstigt
systematische Kontrolle, Beherrschung und Regulierung jedes Details menschlichen
Lebens, was die
Möglichkeit einer technologisch basierten Diktatur
einschließt.
Zhao Tingyang warnt vor dem
Risiko des Verschmelzens des Systems des globalen Finanzkapitals mit dem
der
Hightech-Systeme zu einer neuen, noch nie da gewesenen Macht, die über die
Gesamtheit aller Menschen
herrschen wird. Solch eine Weltordnung ist
vermutlich hoch effizient, aber ebenso wahrscheinlich keine
Ordnung eines
guten Lebens.
Und jetzt wieder wörtlich aus dem Buch:
„Die Absurdität besteht darin, dass die Moderne die
Globalisierung in Gang gesetzt hat,
sie aber unfähig ist, die dadurch
ausgelösten Probleme zu lösen. Warum ist die Moderne
unfähig, für die von
ihr selbst geschaffenen Probleme der Globalisierung Verantwortung
zu
übernehmen?
Ein wesentlicher, doch häufig vernachlässigter Grund liegt
darin, dass die Logiken moderner
Technik und des Kapitals mit der Logik
moderner Politik in keiner Weise übereinstimmen.
Die Entwicklung der
Technologie und des Kapitals verlangen zu ihrer Maximierung globale
Kooperation, die Politik der Moderne dagegen zielt auf
imperialistische Dominanz über die Welt
durch ihre Spaltung. Die
Fakten zeigen, dass die Maximierungsziele von Technologie und Kapital
im
Gleichklang mit der Globalisierung stehen und in hohem Tempo voranschreiten,
während
die moderne Politik, die mit der Globalisierung nicht Schritt hält,
rasch an Bedeutung verliert.
Weltweit akzeptieren die Menschen die
technologische und wirtschaftliche Globalisierung,
nicht aber, dass sie
dominiert werden.
Technologie und Kapital werden so zu Totengräbern der
modernen Politik,
aber sie bilden zugleich die materielle Grundlage globaler Politik und schaffen
die materielle Basis für die Inklusion der Welt.
Um aus einer Welt der Konflikte eine kompatible Welt
entstehen lassen zu können, ist Koexistenzialität als Daseins-Prinzip zwingend
erforderlich. Die
Inklusion der Welt muss daher durch die Schaffung
eines Systems globaler Koexistenz erfolgen und
die Globalisierung von
Technologie und Kapital schaffen dafür die materiellen Voraussetzungen.
Technik und Kapital sind jedoch lediglich an ihrer eigenen unbegrenzten
Expansion interessiert,
sie haben keinerlei Interesse am Weltgemeinwohl und
sind blind für die Gefahren unbegrenzter Entwicklung.
Technik und Kapital,
in der Anwendung von Mitteln extrem rational, verhalten sich hinsichtlich ihrer
Ziele höchst irrational. Diese Irrationalität des Rationalen kann die Welt
in eine ausweglose Katastrophe
stürzen. Die Welt als ganze muss daher
Souveränität besitzen, sie muss zum Tianxia werden.
Sie braucht
ein globales
politisches System, um eine neue Daseinsordnung zu schaffen, um globale
Gerechtigkeit
herzustellen, um der irrationalen Entwicklung von Technik und
Kapital entgegenzuwirken.
Nur so kann die
Welt ein gemeinsam bewohnbarer Raum der Sicherheit und des Friedens werden.
5. Relationale Rationalität
Als Relation, Beziehung, wird im Allgemeinen ein
Verhältnis zwischen einem Seienden oder Ereignis
zu einem oder mehreren
anderen bezeichnet. "Im Enzelnen gibt es einseitige und wechselseitige
Beziehungen." Der Begriff der Relation steht im engen Zusammenhang mit den
Begriffen Struktur und
System. (Wikipedia)
Wenn Zhao Tingyang
von moderner politischer Philosophie spricht, meint er im
Allgemeinen die
Theorie-Ansätze von westlich orientierten Denkern und hält
sie allenfalls vergleichbar mit den chinesischen
Denkmustern der Schulen der
Legalisten und Strategen, den Vertretern von Strategmen einer Politik von
Herrschaft und Konkurrenz. Dies sei eine Philosophie des Kampfes und gehöre
mithin eigentlich nicht in
die Kategorie eines philosophischen Systems,
sondern sei als bloße Technik
Eine politische Philosophie, die anstrebe, eine existenzielle
Menschheitsordnung zu schaffen, gehöre dagegen
zum „Dao“
(Weg). Gegenstand ihrer Überlegungen sei, welche existenzielle Ordnung am
meisten zum
Zusammenleben beiträgt
Politik als die Kunst, eine existentielle Ordnung zu
schaffen, müsse im Dienste des Friedens stehen.
Theorien im Dienst des
Kampfes seien lediglich Techniken, erst im Dienst des Friedens würden sie zu
politischer Kunst mutieren.
Gegenstand der Überlegungen solcher politischer Theorien
mit dem Ziel, existentielle Ordnung zu schaffen,
gipfeln in der Frage, wie
solche Ordnung beschaffen sein müssen, um zu einem Höchstmaß an friedvollem
Zusammenlebens beitragen zu können (contribute).
Solche existentielle Ordnung strebt als Seienszustand
nach ewiger Dauer, sozusagen als ihr ihr
innewohnendes Theorem. Auch Kampf
dient der Existenz, aber er garantiert keine Ewigkeit und
gehört nicht zu
den Ursprungsabsichten der Existenz. In Wahrheit ist er nichts anderes als die
Aktion
eines alternativlosen Hochrisikospiels.
Es folgt eine sehr umfangreiche und ausführliche
Diskussion der Relationalität von individueller
Rationalität und deren
Erweiterung durch Nachahmungsstrategien zur Konfliktlösung in Verbindung
mit
angestrebter Nutzenmaximierung. Ihr durch philosophische Teilnahme zu folgen,
bedarf des
ausführlichen ungekürzten Eintauchens in den Originaltext der
deutschen Übersetzung.
6. Ein neuer Ausgangspunkt des Politischen
Zusammenfassend zum Einführungskapitel des Buches
„Alles unter dem Himmel - Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung“ ist
festzuhalten, dass
der Begriff des Politischen nach dem Konzept des Tianxia
einer neuen Definition bedarf.
1.
Das Kriterium der vollständigen und ausnahmslosen
Inklusivität stellt eine umfassende
Erweiterung des
Begriffsfeldes der Politik dar.
2.
Das Prinzip der Koexistenz
bedeutet, dass künftig Politik als Kunst des Zusammenlebens
zu verstehen ist
und nicht als Technik des Herrschens und Dominierens.
3.
Das grundlegende Ordnungsprinzip der Politik ist
die relationale Rationalität.
Dieses Prinzip dient der
dynamisierten Festlegung der Weltordnung und ihrer Spielregeln.
In ihm
werden die universell notwendigen Werte der universellen Volksseele zum Ausdruck
gebracht. Durch sie wird das in demokratischen Mehrheitsentscheidungen
verborgene
Konfliktpotential neutralisiert. Sie stehen für die
Gerechtigkeit, die sich aus der
universellen Teilhabe ergibt.
Der im Konzept des Tianxia anvisierte neue Ausgangspunkt
des Politischen etabliert durch
die Inklusion der Welt die Welt als
politisches Subjekt der Politik und schafft eine
Weltsouveränität, an der
alle Menschen teilhaben. Er bewirkt, dass sich eine Welt, worin
sich alle
feindlich gegenüberstehen, zum gemeinsam geteilten „Alles unter dem Himmel“
wird.
Der berühmte Satz „Das Tianxia gehört allen“ muss gelesen werden als:
Das Tianxia ist das
gemeinsam geteilte Tianxia aller Menschen unter dem
Himmel.
26. April 2020
Das am 14. April begonnene Leseprotokoll des Buches von
Zhaho Tingyang, "Alles unter dem Himmel"
(siehe unten unter dem 14.
April) wird heute mit den Abschnitten 2
und 3 des Kapitels "Einführung"
fortgesetzt.
Bei diesem 2. Abschnitt des Einführungskapitels geht
es um den politik-philosophischen
Vergleich der Ergebnisse politischen
Handels zur Verbesserung politikloser Urzustände
aus der Sicht von Denkern
dieses Faches.
Aus Thomas Hobbes „Leviathan“ leitet dieser aus dem von ihm
angenommenen „Naturzustand“
3 Elemente von daraus sich möglicherweise
entwickelnder Politik ab.
1. Die Möglichkeit des
Schlimmsten ist immer mit zu bedenken.
2. Die wichtigste
Notwendigkeit ist Sicherheit.
3. Keinem Anderen ist völlig
zu trauen.
Fazit Hobbes: Der Mensch ist des Menschen Feind. So muss er
die Möglichkeit der Umwandlung
von Konflikt in Kooperation als nicht
realisierbare Möglichkeit außer Acht lassen.
Etwa 2000 Jahre vor Hobbes
hat in China der Denker Xunzi sich mit politischen Ansätzen aus einem
politiklosen Urzustand beschäftigt. Weil er annahm, dass menschliche Existenz
zur Voraussetzung
hatte, dass die Gruppe dem Individuum übergeordnet war,
musste Koexistenz der Existenz
vorausgegangen sein. Da aber Koexistenz allein
durch unterschiedliche Wohlstandsmehrung durch
individuelle Begehrlichkeit
wieder zu Konflikt führen kann, bedarf es durch Politik zu leistender
Systembildung.
Nach Konfuzius (551-479) war die beste aller möglichen
Welten eine Welt der „Großen Eintracht“,
worunter eine extrem sichere Welt
des Vertrauens und der Solidarität, also eine friedliche Welt, in
der
Konkurrenz und Intrige wirkungslos bleiben, zu verstehen ist. In dieser Welt
wurden nur Würdige
und Fähige in Ämter berufen, deren Worte aufrichtig und
ihr Umgang unter einander harmonisch
war. (Das waren auch die Vorstellungen
Platos).
Zhao Tingyang beschreibt solche „Epoche der großen
Gemeinschaft“ ausführlich im Einzelnen
und hält sie für durchaus realistisch
und erreichbar, obwohl sie bisher nie wirklich bestand.
Es ginge in dieser
konfuzianischen Welt ausschließlich um die Existenzbedingungen für Sicherheit,
Frieden, gegenseitiges Vertrauen und Solidarität, sie verlange jedoch nicht
die Vereinheitlichung
von Kultur und Religion. Es geht um Kompatibilität –
nicht um Gleichschaltung.
Im „Buch der Mitte formuliert Konfuzius: „Man kann
es vergleichen mit Himmel und
Erde, die alle gleichermaßen tragen und
beschirmen… Alle Wesen werden gleichermaßen genährt,
ohne einander zu
schaden. Alles geht gleichermaßen seinen Weg, ohne sich in die Quere zu kommen.“
Das Feld stellt den begrenzten Bereich aller Möglichkeiten dar und zugleich
den Maßstab, an dem
man sich zu orientieren hat. Da auf dem Feld die Toleranz
des Kompatiblen herrscht, muss auch
unter dem Himmel die Toleranz des
Kompatiblen herrschen.
Das kommt Leibniz’ Vorstellung einer göttlichen
Richtschnur sehr nahe. Leibniz folgert »logisch«,
dass die göttliche
Richtschnur für die Welt die Möglichkeit des Miteinanders (compossibility) der
unterschiedlichen Wesen der Schöpfung ist.
Zhao Tingyang schließt diesen
2. Abschnitt des Einführungskapitels „Die schlechteste und die Beste
aller
Möglichen Welten“ mit dem Bekenntnis, dass das von ihm real für möglich
gehaltene Tianxia-
System sowohl die konfuzianische Norm der Toleranz des
Kompatiblen wie auch die Leibnizsche
Richtschnur der Möglichkeit des
Miteinander beinhalten sollte.
Zitat: „Das System des Tianxia ist keine
idealistische Illusion, es verspricht nicht die Glückseligkeit
jedes
Einzelnen, es ist lediglich ein System, das Garantien für Frieden und Sicherheit
in Aussicht stellt.
Sein Dreh- und Angelpunkt liegt in der Nutzlosigkeit von
Konkurrenz und antagonistischen Taktiken,
genauer gesagt, in der
Nutzlosigkeit von Aktionen, die darauf abzielen, andere zu vernichten, und es
ist daher in der Lage, Koexistenz als Voraussetzung von Existenz zu sichern.
Einfach gesagt, die
Erwartung an das Tianxia-System besteht darin, dass es
eine Daseinsordnung der Welt darstellt,
deren Prinzip die Koexistenz ist.“
3. Entitäten des Politischen
Der Begriff der Entität wird hier nicht in seiner
allgemein gebräuchlichen Form als Sammelbegriff für
Seiendes, Existierendes
verwendet, sondern für das Wesen eines Gegenstandes im Sinne eines für
das
Dasein und die Identität des Gegenstands notwendigen Elements (mehr im Sinne von
Substanz).
Politische Entitäten (hier als Systeme oder Institutionen zu
verstehen, definieren geographische
Zuständigkeiten, Problemumfänge, die Art
der Interessenabwägung und auch über die Art der
Anwendung von Macht. Die
traditionelle politische Philosophie Chinas umfasst 3 Entitätsebenen:
Tianxia
– Staat – Sippe. Der Einzelne galt nicht als politische, nur als biologische
Entität oder
zumindest als ökonomische Recheneinheit. Politische Freiheit
oder individuelle Menschenrechte
waren nicht Teil politischer Gestaltung.
Erst durch westlichen Einflüsse gewann das Individuum einen
unteren Platz in
der politischen Entitätenliste.
Moderne Politik wird dagegen durch die
Struktur Individuum – Gemeinschaft – Nationalstaat
definiert, wobei über
letzterem keine höhere Struktur angesiedelt ist. Damit besteht hier ein
diametraler Gegensatz zum Tianxia-Erklärungsmodell.
Trotzdem kann man
sich beide Modelle als sich ergänzende Systeme denken. Das eine steuert die
politische Garantie der Individualität bei, Tanxia verhindert das systemlose
„Außen“ und setzt an die
Stelle „außen“-politischer erfolgloser Bemühungen
die gesicherte Struktur des Weltfriedens.
Zitat Zhao Tingyang: „Wenn es
nicht gelingt, eine angemessene Weltordnung zu schaffen, droht sich
die
globale Politik angesichts der Entstehung neuer Mächte, die im Zuge der
Globalisierung allmählich
die Politik der Staaten und deren
Kontrollmöglichkeiten internationaler Politik hinter sich lassen, in ein
Risikospiel des Kontrollverlustes zu verwandeln.“
Im Folgenden
klopft Zhao Tingyang alle Versuche westlicher Denker, die Interessenskonflikte
der
Staaten ohne globalpolitische Struktur zu lösen – (Kant, Huntington,
Marx) – ab und kommt dabei zu
dem Schluss, dass die internationale
Politik ist nicht nur unfähig ist, internationale Konflikte zu lösen,
sie sei
im Gegenteil unaufhörlich damit beschäftigt, nach Strategien zu suchen, die dem
Gegner
Niederlagen zufügen.
Der Existenz-Modus der Welt und damit
die Lebensweise der Menschheit wird und muss durch die
Globalisierung
verändert werden und damit auch die politischen Fragestellungen. Die
internationalen
politischen Ansätze, darauf angemessen zu reagieren, zeigen
die Hilf- und Ratlosigkeit der Akteure.
Das zeigt, dass an die Seite der
Souveränität der Nationalstaaten und deren „internationaler Politik
als
weiteres übergeordnetes Konzept eine systemische Global- oder besser gesagt –
Weltpolitik
treten muss. Deren politische Kernfrage ist die Inklusion der
Welt, was bedeutet, dass es für dieses
politische Konzept kein „Außen“ mehr
gibt, sondern alles ist „Innen“,
eben „alles unter dem Himmel“ = Tanxia.
14. April 2020
Hier folgt jetzt das angekündigte Leseprotokoll der
Abschnitte "Anmerkungen des
Übersetzers", "Vorwort des Autors" und des
Abschnitts "1. Die Welt als politisches Subjekt"
des Kapitels "Einführung"
des Buches von Zhaho Tingyang, "Alles unter dem Himmel"
Zu Anmerkungen des Übersetzers
Tianxia Alles unter dem Himmel
Tiang
Himmel / Tag weicht begrifflich vom jüdisch/christlichen Verständnis ab.
Dao
wörtl. „Weg“ nach chinesischem Verständnis
„bewegende regulierende Kraft allen Seins“
Aber noch unterschiedlich:
Im Konfuzianismus eher moralische Kraft „richtiges
Verhalten = “Da Yi“
Im Daoismus eher natürliche Kraft
Im chin. Buddhismus steht es für Dharma
Da beide klassische Begriffe der chinesischen politischen Philosophie sind,
werden sie im Buch im Original verwendet, um Übersetzungsirrtümer
auszuschließen.
Zum Vorwort des Autors
Im alten China umfasst das Tianxia-Konzept zahlreiche
spirituellen Aspekte.
Außerdem ist es aber auch das politische Ideal einer
Weltordnung.
Der Autor möchte das idealistische Konzept des Tianxia
realistisch darstellen und dabei den Unterschied
zwischen dem Dao des Tianxia und seiner Einführung,
zwischen Idealität und Realität,
zwischen Geschichte und Zukunft,
deutlich werden zu lassen.
Außerdem ist Tianxia ist eine Methodologie, deren Konzept zu einem neuen
Geschichtsverständnis, zu einem neuen Verständnis der Geschichte,
von
Institutionen und politischen Räumen, ja sogar zu einer Neudefinition
des
Politischen schlechthin führt.
Die zunächst unübersichtliche Vielfalt des Tianxia-Konzepts
verlangt eine
Arbeitsmethode, die sich als >kombinierte Synthese< bezeichnen
lässt.
Wenn wir versuchen, es in seiner Gesamtheit zu verstehen, muss man
seine
unterschiedlichen Aspekte analysieren, etwa seine politischen,
ökonomischen,
ethischen, ästhetischen, sozialen, historischen usw.
Diese Elemente sind dann den entsprechenden
Wissenschaftsdisziplinen zuzuordnen,
die ihre unterschiedlichen Fragen an
die Gesamtheit des Gegenstandes richten.
Doch ist die jeweilige Disziplin
oft nicht in der Lage, Antworten auf die von ihr
gestellten Fragen zu
finden, da die Antworten auf dem Gebiet anderer Disziplinen
zu suchen sind;
zum Beispiel könnten Antworten auf politische Fragen nur im Bereich
der
Ökonomie oder der Sozialwissenschaft gefunden werden etc.
Die Gründe für manche politische Entscheidungen ergeben
sich nicht aus der Politik,
sondern aus der Geschichte, bei manchen
historischen Narrativen handelt es sich in
Wahrheit um Theologie.
Die sogenannte >kombinierte Synthese< ist der Versuch,
die Gesamtheit des
Gegenstandes wiederherzustellen, die unterschiedlichen an
den Gegenstand gerichteten
Fragen sollen sich wechselseitig konfrontieren,
das Wissen unterschiedlicher Disziplinen
zu ihrer Klärung beitragen. Diese
Methode ist eine philosophische, bei der Untersuchung
des Tianxia dient die
Philosophie dazu, die Gesamtheit des Gegenstandes
wiederherzustellen.
Die weitere Absicht des Autors ist es, die Darstellung
der Philosophie des Tianxia
auf eine rationale Erläuterung zu reduzieren und
jedes emotionale Narrativ und jede
antizipierende Wertung so weit als
möglich zu vermeiden. Nur die Geisteshaltung
einer von Emotion ungetrübten,
»unbarmherzigen« Darlegung kann beweisen, dass
diese Philosophie tatsächlich
universell gültig und in der Lage ist, auf eine ihr gemäße
Art erfolgreich
fort zu existieren.
Die Quellen-Nutzung bezieht sich in der vorschriftlichen
Zeit auf archäologische Zeugnisse, danach
auf Texte, die im Laufe der
Geschichte die Bildung des menschlichen Geistes maßgeblich beeinflusst
haben.
Alle Weltbereiche sind von der Globalisierung ergriffen.
Es gibt keinen Raum mehr
außerhalb dieser Globalität für eine Art
unbeschwerter Existenz. Nur das Anerkennen
dieser Tatsache setzt uns in die
Lage, Aussagen über die Gegenwart zu treffen.
Globalisierung verändert nicht nur politische
Sichtweisen, sondern insgesamt den
Existenzmodus der Welt. Um Aussagen über
die Zukunft einer globalisierten Welt
zu treffen, wird eine ihr
entsprechende Daseinsordnung (order of being) benötigt,
die diesen Umstand
(„inklusion“) realisiert. Dies will der Autor als das System
„Alles unter
dem Himmel“ „Tianxia“ bezeichnet wissen.
Zwar ist Tianxia ein Begriff aus der chinesischen Antike,
bezieht sich aber inhaltlich
nicht auf China, sondern auf universelle
Fragen, eine Welt der „Weltheit“
(a world of worldness). Als dynamischen
Prozess betrachtet bedeutet er die
„Verweltlichung der Welt“. Tianxia
entstammt zwar dem Jahrtausende alten Zhou-System
Chinas, aber sein bis
heute lebendiger Begriff ist eine Idee für die Zukunft der Welt,
über die
wir, ohne diese zu kennen, uns im Sinne eine universell positiven
Weltordnung
Gedanken machen müssen.
Die gegenwärtige internationale Politik hängt noch am
Modell des
Nationalstaaten-Systems und dem Imperialismus und
Hegemonialstreben.
Da es mehr und mehr in einen offensichtlichen werdenden
Widerspruch zu den
Erfordernissen der Globalisierung gerät, werden die
Nationalstaaten als
Machtinstanz und ihrer Ausrichtung Politik abgelöst
werden durch die globale Macht
von Netzwerken und derer globaler Politik.
Und an dieser Stelle ein Originalzitat aus dem Buch„Alles
unter dem Himmel“:
"Das Konzept des Tianxia zielt auf eine Weltordnung,
worin die Welt alsGanzes zum Subjekt der Politik wird,
auf eine Ordnung der Koexistenz (order of coexistence),
welche die ganze Welt als eine politische Entität
betrachtet.“
Es folgt die polit-philosophische Auseinandersetzung
mit den westlich orientierten Denkmustern des
christlich-jüdischen
Kulturkreis vor allem einschließlich ihrer Adaption des Heidentums:
„Das Fehlen von Abweichlern oder Feinden bedeutet für
die
westliche Politik offenbar den Kompassverlust, bis hin zum
Verlust von Leidenschaft und Motivation.“
Carl Schmitt als Vertreter des Konzepts der
Freund-Feind-Unterscheidung,
Hobbes im Leviathan mit Gesetz des Dschungels,
die Marxsche Theorie des
Klassenkampfs oder Huntingtons Kampf der Kulturen –
all diese Auffassungen
von Kampf ständen mit dem politischen
Freund-Feind-Verhältnis in engem
Zusammenhang.
Das Tianxia-Konzept setze dagegen darauf, alle Arten von
Anderem in die
Ordnung von Koexistenz auf der Basis gegenseitigen Respekts
zu integrieren.
Außenstehende Existenzen seien kein Objekt der Unterwerfung,
sondern der
Integration.
Am Ende kommt Zhao Tingyang abweichend von seiner
Vorankündigung nun
doch zu einer emotionalen Verurteilung solchen
polit-philosophischen Denkens
und einem kritiklosen Lob des Tianxia-Prinzips.
Er schreibt am Ende dieses
ersten Abschnittes:
"Die Politik des Kampfes missachtet Menschheit
und Welt
gleichermaßen, daher ist es notwendig, Konzepte des
Politischen, in deren Mittelpunkt der Kampf steht, in ihr
Gegenteil zu verkehren, sie durch Konzepte des Politischen
zu ersetzen, die Koexistenz zum Zentrum zu machen.
Mit einem Wort: Politik muss Respekt vor der Welt haben."
März 2020
In diesen Tagen der zunehmenden Erregung wegen der
Corona-Viren-Pandemie beginnen wir
diesen Blog mit der Veröffentlichung des
Aufsatzes "Orientierung im Jahre 2017". Er ist in der Sparte
"Aufsätze"
abgelegt. Neben einer Standortbestimmung wird mit überschlägigem Blick auf den
historischen Entwicklungsgang der Menschheit auf unserem Planeten Erde nach
Erklärungen
für die gegenwärtige krisenhafte Situation gesucht. Schließlich
werden Initiativen beleuchtet,
deren Ziel die Krisenbewältigung ist und
ein noch etwas nebelhafter Versuch gewagt, in die
Zukunft zu schauen.
Ich wünsche Ihnen einige neue Denkanstöße zum Thema und freue mich auf eine
kritische
Stellungnahme, am liebsten per Email. Wahrscheinlich altersbedingt
bin ich kein Freund von
Facebook, WhatsApp & Co.
Es folgt hier direkt
das bebilderte Original des
Aufsatzes.